Rhein-Weser-Turm, Bruchhauser Steine, Feuereiche…Man muss nicht immer gleich weit weg fahren, um richtig was zu erleben. Natur, Kultur und Abenteuer gibt es direkt vor der Haustür. Ich mag behaupten, es ist so viel, dass man ein ganzes Leben darauf verwenden könnte, dies zu erkunden. 4 Tage kein Mobilfunk, einfach draußen sein, bewegen und Visionen schmieden…
Freitag setzen sich Julian und meine Wenigkeit in den RE7 Richtung Hagen. Von dort geht es in das bahntechnisch eher schlecht angebundene Sauerland. Wir entscheiden uns für eine Vier-Tages-Tour vom Rhein-Weser-Turm bis nach Olsberg. Das sind etwa 80 Km – sollte passen!
Der freundliche Busfahrer, der uns nach Oberhundem bringt, wartet sogar, bis wir unsere Brötchen vom Bäcker gekauft haben – TOP! Hier ticken die Uhren noch anders.
Es verspricht schon eine hammermäßige Tour zu werden. Wir beide können diese Auszeit gut gebrauchen und haben tiefsinnige Gespräche, albern rum und genießen die uns mehr und mehr umgebende Natur. Ihre vielschichtigen Gerüche, von Fichtennadeln, blühenden Wildkräuterwiesen über den modrigen Boden – einfach wundervoll!
Der Rhein-Weser-Turm ist ein wirklich schöner Aussichtspunkt, von dem das Landschaftsbild des sauerländer-Mittelgebirgszuges deutlich wird. Bis zu 90% der Fläche hier sind mit Wald bedeckt, die Siedlungsstrukturen sind kleinstädtisch-dörflich. Ich lerne, dass jede Sekunde in den Wäldern NRWs die Holzmasse eines 56cm Würfels nachwächst (die herausgenommene Menge des Menschen ist hier schon einberechnet!). Das Wanderwegenetz ist dicht und unheimlich gut ausgebaut. Schon früh wird klar, dass es hier eher zu viel Beschilderung (verwirrend!) und verschiedenste Wanderrouten gibt, als zu wenig.
Am Nachmittag kommen wir am großen Jagdhaus an, wo wir uns erst Mal einen Eiskaffee und zwei Flaschenbiere (für später!) gönnen.
Die Wetterprognose steht auf Unwetter am Abend, also sollten wir noch einen sicheren Ort zum wilden Übernachten finden. Mit Hilfe von Google-Maps finden wir dann eine Lichtung etwa 2,5 Km vom Jagdhaus entfernt, den Rothaarsteig weiter wandernd. Die angepeilte Schutzhütte war leider winzig (eher eine Bushaltestelle!), weshalb diese als ernst zu nehmenden Unterschlupf für die Nacht weg fiel.
Dann kam das Unwetter und wir fanden noch rechtzeitg Unterschlupf bei der Lichtung in einem Jägerhochsitz.
In einem kurzen regenfreien Zeitfenster bauen wir unser 3-Mensch-Zelt mit leichten Handicaps auf. Die Heringe fehlen (:D), das Band in den Zeltstangen fehlt (wir stecken die Stangen manuell zusammen) und nach den ersten 30 Minuten im Regen fällt auf, dass das Außenzelt nicht ganz dicht ist. Also disponieren wir um 23:30 Uhr noch einmal um und stellen das Zelt unter ein sehr dichtes Blätterdach (Rotbuche!) im Randbereich der Lichtung – endlich Ruhe und schlafen nach diesem 18 h Tag 🙂
Moospause, Kahler Asten und Sauna
Man sieht, wie professionell das Zelt mit Ästen und den sonst für das „Vorzelt“ gedachten Stangen abgespannt ist. Dem Motto getreu: Das Beste aus der Situation machen!
Auf diesem Wegstück nach Winterberg (zum Kahler Asten, ein Berg von 841m Höhe) sind einige kulturelle Schmankerl zu erleben. Hier sind einige (gigantische) Skulpturen installiert worden, genauso eine Hängebrücke in der Nähe der Ortschaft Kühhude. Auf jeden Fall machen sich die örtlichen Touristiker und Naturgestalter (sicherlich auch der Naturpark Sauerland-Rothaargebirge) hier enorm viel Mühe. An etlichen Infotafeln wird sinnvolle Information von ehemaligen Grenzverläufen, plattdeutscher Sprache über Flurbereinigungen und vieles weiteres vermittelt. Es gibt viele Schutzhütten (die stark in ihrer Größe variieren!), Bänke zum ausruhen und eine sehr gute Beschilderung (trotzdem haben wir uns zwei Mal deutlich verlaufen, weil wir zu tief in ein Gespräch verwickelt waren :D).
Naturpädagogische Erlebnisse
Ein genialer Einfall (wovon es auf dieser Tour nicht zu wenige gab) von Julian, war eine Moospause. In einem dicken Moosboden im Fichtenwald (hier ist übrigens fast überwiegend Fichtenwald!) haben wir uns einfach 10 Minuten reingelegt und versucht alle Gedanken loszulassen und einfach nur da zu sein. Es hatte etwas von Mittagsschlaf, obwohl ich nicht ganz weg war. Sehr erholsam! Auch das Schweigen und reine Naturwalten um uns herum schärfer wahr zu nehmen 🙂 – Ich finde es unfassbar wertvoll immer wieder solche naturpädagogischen Dinge einfließen zu lassen. So haben wir uns auch manchmal „blind“ am Rucksack des anderen führen lassen uvm. Da lässt sich vieles ausprobieren – Sitzplatz (still beobachten), Karte der Umgebung anfertigen, Gerüche suchen und zuordnen, Tiere nachmachen…
Dann gab es aber auch solche „Ressourcenverschwendungen“ am Wegesrand zu beobachten:
Naja, Geschmackssacke. Ist das Kunst, oder kann das weg? Was jedoch äußerst beeindruckt, ist wie dieser gigantische sauerländische Schiefergesteinsquader an diesen Ort gebracht wurde, samt der majestätischen Fichtenstammeinrahmung.
Nach Stärkung in einem ländlichen Café bei Kühhude (echt empfehlenswert, dort einzukehren) geht es straff zum Kahler Asten. Witzig denke ich, denn in einem Kurs an der Universität, wo wir Umweltdaten ausgewertet haben, hatten wir Wetterdaten vom Kahler Asten. Das gibt einfach einen anderen Bezug zu solchen Orten!
Wir haben die wunderbare Möglichkeit bei der Familie von Julian in der Nähe Winterbergs zu nächtigen. Wir verabreden den Abholpunkt am Kahler Asten und bekommen viel zu früh den Anruf, dass der „Abholservice“ bereits dort wäre! Dann geht es strammen Schrittes weiter und wir entscheiden uns, unser Glück an der großen Straße per Anhalter zu suchen. Ich bemesse dem erst Mal keine große Chancen bei. Doch es hält direkt das erste Auto! Was für ein Geschenk 🙂 Jan, ein Auszubildender für das Dachdeckerhandwerk fährt uns die 3,5 Km Reststrecke bis zum Gipfel. Danke!
Dann können wir erst Mal etwas runterfahren. Am Abend ist sogar noch ein Saunagang mit Birkenaufguss drin – wundervoll! Dann wird draußen auf der Terasse unterm Sternenhimmel geschlafen. Die Nacht ist auch frischer als ich vermutete!
Bei der Niedersfelder Hochheide angekommen latschen wir erst einmal 1,5 Km in die falsche Richtung (nach Winterberg) entlang – vertieft in ein Gespräch. Ein Blick auf diese Kulturlandschaft, als auch am mehr als sehenswerten Diabas-Steinbruch am Clemensberg wären wir ohne diesen Umweg nicht vorbeigekommen. Außerdem hatte sich ganz frisch eine Zecke in meinem linken Oberschenkel gemütlich gemacht, die wir mit Hilfe vorbeikommender Wanderer rausoperieren konnten.
Das Leben ist Begegnung
Auf dem gesamten Weg sind wir vielen Menschen begegnet. Einzelnen, Pärchen, Gruppen und auch Pfadfindergruppen 🙂 Es war schön zu sehen, dass doch mehr junge Leute, als man manchmal meinen mag wandernd oder Mountain Bike fahrend unterwegs sind.
Eine Begegnung dieses Tages hob sich besonders hervor. Wir sprachen einen alleine wandernder Mann Mitte fünfzig an um noch einmal sicher zu gehen, dass wir wirklich auf dem richtigen Weg sind (ich für meinen Teil war mir schon sicher ;-)). Es war ein schönes bestärkendes Gespräch. Kernimpuls war: „Wisse, was du (aus deinem tiefsten Innern) machen möchtest. Tue es und lasse dich von niemandem davon abbringen.“ Klingt vielleicht etwas streng, aber es ist ja nicht auf Weltherrschaftsvorhaben bezogen. Sondern auf Dinge, die sich dein Herz ersehnt. Dinge wonach du berufen bist.
Bruchhausen und die Feuereiche
Nach hammermäßig gut tuender Rast kommen wir in Bruchhausen an, wo wir ein Café aufsuchen wollen. Nach einigen Gesprächen mit Bewohnern stellt sich heraus, dass dies vermutlich schon geschlossen hat und heute ein Pfingstfest stattfindet. Dem statten wir einen Besuch ab. Das ist noch richtige deutsches Dorfkultur. Hat was, aber für uns ist das voll die Reizüberflutung, außerdem ergaben sich keine richtig spannenden Gespräche. Nach Stärkung durch Kuchen, Pommes und Bier gehts weiter Richtung Feuereiche. Suche nach einem Schlafplatz!
Auf dem Weg geht es noch am Hang der Bruchhauser Steine vorbei, die ähnlich der Externsteine aus klüftigem Sandstein herausgewaschen wurden und bis zu 92m aus dem Berg herausragen! Ein Hingucker!
An diesem Abend hätten wir es garnicht mehr für möglich gehalten. Doch auf einmal stand nach einer Straßenüberquerung diese wunderschöne Holzskulptur vor uns:
Endlich! Hier können wir unsere letzte Nacht verbringen. Was für ein Geschenk. Diese Skulptur ist unser „Highlight“ der Tour. Die dort aufgestellten Infotafeln sind so authentisch und eher untypisch. Sie kritisieren sehr direkt das jetzige „höher, schneller, weiter“ Denken und Handeln der Menschen (der Grund aus welchem ich auch das BWL-Studium damals abbrach). Gleichzeitig zeigt es auf, wie wertvoll der Lebensraum Wald ist (Sauerstofflieferant, Wasserspeicher, Luftreiniger, Bodenverbesserer, Holzlieferant uvm.). Wer mochte, konnte hier mehr über den Umgang und die Nutzung von Holz lernen, sowie über den Nutzen für unsere Vorfahren. Genauso etwas über die Kulturen, die hier vorher lebten 🙂
Am Pfingstmontagmorgen wird ordentlich ausgeschlafen. Nach Yoga, Ingwer/Zitronen/Pfeffer-Tee und ein paar Seiten im Buch „Das Geheimnis der Bäume“ geht es weiter Richtung Olsberg. Unsere Endstation dieser geilen Tour!
Pfingstmonatgsmesse an einer Waldkapelle
Der Ginsterberg fordert uns noch einmal einiges ab. Unsere Wasserreserven gehen zu Grunde, die Sonne brät uns ganz gut. Aus leichter Ferne zur Borbergkapelle hören wir beide leichten kirchlichen Gesang. Dann hört dieser wieder auf. Wir glauben erst, ihn uns eingebildet zu haben, doch zu klar waren seine seichten Züge in der Waldluft. Dann über eine weitere Kuppe kommend hören wir klar und deutlich eine Kapelle spielen. Auf einmal stehen wir inmitten mehrerer hundert Menschen, die hier eine Pfingstmesse feiern. Wir dürfen unser Wasser auffüllen, haben einige interessante Gespräche und gehen mit Gästen gemeinsam die 3 Km runter nach Olsberg.
Der Ort hier ist auch kulturell sehr geprägt. Drei Wehre/Mauern hatten die Kapelle und darin liegende Fläche früher geschützt und bilden eine Wallanlage. Früher diente es als Schutz für Händler und nahe wohnende Bewohner, so sagt man uns. Immer wieder eine Freude direkt vor Ort von den Menschen etwas über ihre Heimat zu erfahren. Wie geschrieben: Dafür muss man garnicht weit fahren. Lediglich den Blick weiten und sich Zeit nehmen 🙂
Was für eine Tour! Das bestärkt das Gemüt, lädt auf, fordert auch – ein schönes Gefühl! Das kann ich euch nur empfehlen. Einfach den Rucksack aufsetzen und los, ob für einen Tag, einen ganzen Wanderweg oder mal einen ganzen Sommer. Mal den Kopf leiser stellen, wieder bestärkt auf die Intuition hören, sich weniger mit Technik und dafür mehr mit herzlichen Menschen und der Natur umgeben.
Gewandert sind wir im Endeffekt mit Umwegen etwa 65 Km. Etwas mehr als 15 Km jeden Tag. Läuft! Ist ja auch kein Wettbewerb 🙂
Ganz in diesem Sinne! Nutzt, was hier habt – überall gibt es Schönheit zu erfahren. Haben wir den Mut es zu sehen und zu leben?
Frieden sei mit euch
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