Mensch, tat das gut. Ohne, dass ich es beabsichtigt habe, gönnte mir das Leben und sein Schöpfer eine kurze Zeit ohne diesen intelligenten Taschensupercomputer. Nachdem ich es in einem Zug nach vieler Bahnfahrerei vergessen habe und der Fundsachendienst nichtserhalten hatte, war klar: Jetzt erst einmal ohne Smartphone.

Verlockender Alleskönner – zu welchem Preis?

Telefonieren, SMS schreiben, Nachrichtendienste, Sprachnachrichten austauschen, kostenfreie Videoanrufe, 2.500.000 Apps (!), Bilder machen, Notizen machen…die Möglichkeiten mit diesen kaum 120g schweren Taschensupercomputern (im Volksmund Smartphone 😉 ) sind schier endlos. Eine nie dagewesen Dichte an Vernetzung und Informationsaustausch kann stattfinden und findet definitiv statt. 2020 wird die ausgetauschte Datenmenge weltweit etwa 40 Zettabytes (das ist eine Zahl mit 21 Nullen!) betragen. Das ist 50-Mal so viel wie 2010. Übrigens entsprechen 40 Zettabytes nach Schätzungen dem 57-fachem an Sandkörnern auf der Erde! Wir sprechen also über
Größenordnungen und Dynamiken, welche dem menschlichen Verstand kaum zugänglich sind.

Quelle: pixabay.com

Nun ist genau das der springende Punkt. Auch wenn es gut gemeinte Artikel gibt, um mit der Reizüberflutung, durch diese pausenlose Vernetzung, Erreichbarkeit sowie dem Zugang zu einem unendlichen Meer an Informationen umzugehen, so beobachte ich, dass die wenigsten das wirklich beherrschen. Ebenso wenig ich, wie mir durch diesen plötzlichen Verlust gewahr wurde.

Der Preis, den wir für diesen ständigen Zugang zum Internet, zu unseren Freunden und Verwandten haben ist unfassbar hoch – so hoch, dass ich nicht mehr ansatzweise bereit bin diesen zu zahlen.

Ressourcenverschwendung und unmenschliche Herstellung

Die weltweit rasend zunehmende Digitalisierung – insbesondere durch die Smartphones – und der damit einhergehende Bedarf an Ressourcen und Energie ist unverantwortlich. Ich habe das Gefühl, wir wissen da nicht, was wir uns und unserer Erde da antun. Hier lasse ich nur einen Artikel sprechen, der laut Amnesty International aufzeigt, dass bis zu 40.000 Kinder in Kongolesischen Kobalt-Minen arbeiten. Der Rest der Arbeiter fast immer unter menschenunwürdigen Bedingungen. Da ich ein Freund von Lösungen bin, kann hier direkt das Fairphone genannt werden, dass bei solchen Machenschaften nicht teil nimmt. Genauso ist es auch sinnvoll nur genutzte Geräte zu kaufen und weiter zu nutzen. Denn viele Menschen holen sich leider alle zwei Jahre ein neues Gerät…

Strahlung und Überwachung – na und?

Doch auch das Fairphone ist von folgender Tragweite, die wir uns oft genug nicht bewusst machen (wollen) ebenso wenig befreit: Die Strahlungsbelastung auf unsere Körper (unsere Tempel, wenn ihr mich fragt).

Der Verein Diagnose Funk und die Internetseite Ärzte und Mobilfunk geben dahingehend Auskunft und klären über Gefahren auf. Dort erfährt interessierter und aufmerksamer Mensch unserer Zeit, wie Mobilfunk (insbesondere mit den viel strahlungsintensiveren Smartphones) die Fruchtbarkeit vermindern kann, Geldrollenbildung im Blut hervorrufen kann (wodurch der Transport von beispielsweise Sauerstoff gehemmt wird), Konzentration und allgemeines Wohlbefinden eingeschränkt werden kann, Elektro(hyper)sensible oft das Nachsehen haben uvm.

Der Aspekt der pausenlosen Überwachbarkeit durch die Smartphones dürfte jedem, spätestens seit den Enthüllungen von Edward Snowden, geläufig sein. Es soll hier einfach nur Erwähnung finden um ein ganzes Bild zu erhalten.

Thank you for Calling (Dokumentarfilm)

Zu dem Thema sei auch wärmstens der Dokumentarfilm „Thank you for Calling“ empfohlen sein. Dieser zeigt auf, wie systematisch Studien und Untersuchungsergebnisse unterdrückt werden, die die Schädlichkeit des heutigen Mobilfunksystems auf den Menschen (und aus meiner Sicht auch definitiv auf Mutter Erde) aufzeigen. Ebenso, wie sehr die Trägheit der bequemen Masse das aufgrund der vielen (vermeindlichen) Vorteile, die diese Technologie mit sich bringt, wenig danach fragt, was nun vernünftiger und gesünder wäre.

Digitale Demenz

Der Professor für Hirnforschung Manfred Spitzer zeigt bereits seit zwei Jahrzehnten, welche Folgen eine flächendeckende Digitalisierung auf Gehirnentwicklung, Körper und Verhaltensweisen hat. Ihm ist insbesondere der Schutz der Kinder in dieser Hinsicht wichtig. Seinen Vortrag (das Buch habe ich nicht gelesen) zu dieser Thematik ist sehr faktengestützt und unfassbar wichtig, hört gerne rein.

Kommunikation verändert sich rasant

Der Blick ist eher auf das Gerät gerichtet, als zu Mitmenschen. Quelle: pixabay.com

Ich beobachte insbesondere im öffentlichen Raum aber auch im privaten Umfeld, wie sehr die Kommunikation zwischen Menschen (diejenige wo man noch spricht und sich auch in die Augen sehen kann 😉 ) unter dieser Technologie leidet. Klar kann sie dadurch auch bereichert werden – was ich zum Beispiel in unserem Gartenprojekt sehe. Dort teilen wir das wichtigste über eine gemeinsame Telegram-Gruppe und verarbreden uns oder lassen uns Links und Informationen zukommen. Doch der wichtigste Teil findet in persönlichen Gesprächen statt. Die Medienwissenschaftlerin Angela Keppler sagte im Deutschlandfunk-Interview es gäbe keine Verarmung an Kommunikation durch Smartphones, lediglich eine Veränderung. Ich sehe das kritischer, möchte diese Stimme hier aber nicht ungehört lassen.

Doch auch hier gilt freilich: Es kommt darauf an, was wir daraus machen. Lassen wir uns davon regieren, ausspionieren und unfähig werden? Oder nutzen wir es (wenn überhaupt) zum kurzen Informationsaustausch für das Wichtigste, um mal ein Bild aufzunehmen oder mal eine Fahrplanauskunft aus dem mobilen Internet einzuholen. Du hast die Wahl. Weniger ist hier defininitiv mehr. Und wer es schafft, wie ein paar wenige Freunde von mir, auf Mobilfunk oder Smartphones zu verzichten, der hat es meiner Ansicht nach richtig gemacht.

Zurück zu meiner eigenen Erfahrung

Ich selbst merkte am ersten Tag – neben der Tatsache, dass nun auch meine ganzen Kontakte, ungespeicherte Daten und einige Fotos futsch waren – dass mein Körper und Geist nach diesem Gerät verlangten. Da musste ich über mich selbst schmunzeln. Jemand der so kritisch gegenüber der Handhabe dieser Technologie eingestellt ist, bereits selbst zu einem kleinen Suchti mutiert. Da merkte ich, wie sinnvoll es war – denn bekanntlich hat alles einen Sinn – dass ich das Gerät tatsächlich verloren habe.

Ich habe in der Zeit Freunde besucht, ohne mich vorher anzumelden. Ich war viel freier im Denken (freier als ohnehin schon) und eben mobil nicht erreichbar. Ein schönes Gefühl. Es sähte Samen der Entschleunigung und inneren Ruhe. So entwickelte ich Dankbarkeit, obgleich es mich im ersten Moment sehr aufregte, meinen mobilen Alleskönner verloren zu haben (und dass der Finder leider nicht so sozial war und es beim Fundbüro der Eurobahn abgab).

Am Ende habe ich mich endlich an einen Text gesetzt, für den ich auf dem alten Smartphone bereits einige Notizen und Impulse notiert hatte. Aber ich war noch nicht zum Schreiben gekommen. Das sollte jetzt erst sein.

Und so lerne ich auch: Wenn du schon diese Technologie benutzt, dann speichere deine Daten an zweiter Stelle ab – im Fall dieser Fälle. Genauso habe ein physisches Kontaktbuch, wo du Adresse, Email, Telefonnummern und Geburtstage deiner Familie, Freunde und wichtiger Bekannter drin stehen hast. Ich liebe einfach das Handschriftliche, also warum nicht auch ein handschriftliches Adressbuch. Solch eines hatte ich bereits vor fünf Jahren begonnen anzulegen, doch nicht konsequent geführt. Die Telefonnummern fehlten fast überall.

So gestehe ich mir selbst meine Abhängigkeit von diesem mobilen Alleskönner ein. Aber sehe auch, dass es für Whatsapp Gruppen oder andere Dinge (z.B. mal eine Notiz machen) einfach höchst praktisch ist. Doch mit meinem neuen sehr einfachen Smartphone (Sony Xperia Tipo) bin ich nun viel bewusster. Außerdem lassen sich die meisten Dinge (im Prinzip alle Dinge) ohne Smartphone lösen – dafür braucht es dann eigenen Grips anstelle der künstlichen Intelligenz, eigene aktive Kommunikation anstelle der passiven. So schaue ich auch nicht mehr sofort rein, wenn das Gerät vibriert und nutze es nun viel mehr für die wichtigsten Dinge – nicht mehr und nicht weniger. Das tut gut.

Frieden sei mit dir


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