So schreibe ich nun, vier Wochen nachdem ich wieder zuhause in Münster angekommen bin diesen Beitrag. Die Erlebnisse aus diesem Beitrag liegen nun schon weiter als fünf Wochen zurück, doch ich erinnere mich an viele Begegnungen, Situationen und Naturlandschaften als wäre es heute morgen gewesen.
Bergamo, Turin und Savona – es fließt!
Nachdem ich mich von Sinan bei den Skojcan Höhlen verabschiedet hatte, fand ich Unterschlupf in einem Café (der sogar Bio-Tees angeboten hat) und einem Jugendgästehaus, wo ich ins Internet konnte. Wunderbar!
Nach einiger Verwirrung und kurz dem Irrglauben verfallen, Boris (der bereits am Vortag die Mitfahrt zum Garda-See zusagte) würde nicht zum Treffpunkt kommen, antwortete er doch noch auf meine SMS. Wieder eine gute Übung um ins Vertrauen zu kommen. Die Fahrt mit Boris war wirklich gut, leider sprach er kaum englisch. Aber er lud mich hinterher noch an der Raststätte, wo er mich rausließ zum Essen ein – Pasta a la Genua (ein spezielles Pesto) – lecker und stärkend! Danach geht es genauso fließend weiter, wie es mit Boris begann. Ich fragte an dieser Raststätte lediglich drei Autofahrer, der dritte sagte bereits zu! Wow! Glückstreffer – ein angenehmer junger Familienvater, der mich bis vor Bergamo brachte. Dort wollte ich an einer Maustation noch in der Dämmerung weitertrampen – denn mein Ziel war Malaga (so schnell wie möglich). Doch obgleich solch eine Mautstation ideal ist, wo nicht mehr so viel los ist, die Leute aber alle langsamer fahren (müssen) und dementsprechend eher anhalten, sollte hier für den Tag Schluss sein.
Nach wunderbarer Nacht im Zelt zwischen Feldern und kurzem Bibelstudium (auf einmal interessiert mich dieses Buch, was mich vorher 24 Jahre lang eher kalt gelassen hat) in den paulinischen Briefen aus dem neuen Testament gehts wieder zur besagten Mautstation. Dort werde ich direkt vom dritten oder vierten Auto mitgenommen – ein offener Niederländer, der auf dem Weg in die Berge ist! Wir haben eine gute Zeit und er bringt mich an eine nach Süden führende Raststätte bei Turin (welch ein Service, denn Großsstädte zu umkurven ist als Anhalter immer so eine Sache, bis du da mal den richtigen gefunden hast, der auch in deine Richtung fährt!). Dort bedankt und ausgestiegen esse ich ein paar Datteln schaue mir die Menschen an, die gerade so da sind und gehe auf eine gerade einparkende Frau zu. Sie nimmt mich direkt mit, wir verstehen uns wunderbar und verbringen auch so noch gemeinsam Zeit! Ich sage euch, es läuft!
Sie bringt mich bis nach Savona, doch dort angekommen läuft es nicht mehr so gut. Der Autohof dort ist in beide Richtungen und viele fahren nicht weiter nach Frankreich, genauso wieder die Blockaden unserer EU-Bürokratur oder anderer staatlicher Auflagen und Druck vom Arbeitgeber – diese sorgen dafür, dass LKW-Fahrer mich nicht mitnehmen, obwohl einige mir versichern, dass sie gerne würden. Aber die Papiere lassen nur den Fahrer und Beifahrer zu, sonst bekommen sie Strafen und Stress mit dem Arbeitgeber…yeah, welch ein freies Europa!
Dann beschließe ich weiterzugehen, zu einer besseren Raststätte in der Nähe und sehe auch noch ein italienisches Dorf, die seltsam anmutenden Kirchengebäude hier (alles römisch katholisch – fast selbsterklärend) und den italienischen Flair. Und da es schon spät wurde, ahne ich, dass ich auch hier keine Mitfahrgelegenheit mehr bekomme – doch es stößt in mir auf keinen Unmut oder Genervtheit oder Ungeduld, sondern darauf, dass es genau so richtig ist. So verbringe ich eine Nacht auf diesem Rasthof bei Savona, Bibel lesend, am Abend noch viele Menschen ansprechend, mit Caitlin aus Andalusien (bin gerade auf dem Weg zu ihr) telefonierend, sehe einen Schwertransport starten und lege mich letztendlich auf einen Holztisch um frühmorgens um 06:00 Uhr wieder langsam wach zu werden.
In 24 Stunden 1800 Km per Anhalter (!)
Ab hier soll es jetzt richtig gut laufen! Den vierten oder fünften Autofahrer, den ich mir hier auserkor um nach einer Mitfahrgelegenheit zu fragen war Grieche (am Nummernschild zu erkennen) und er kam gerade auf die Tür zugelaufen, ich auf der anderen Seite stehend – da will mir doch Guten Morgen auf griechisch nicht einfallen…ich überlege…er kommt näher, die Türe öffnet sich und just in dem Moment rollt es von meiner Zunge „Kalimera!“ und ich wurde leicht verwundert angesehen. Wie schon öfters erwähnt ist das immer vorteilhaft, den Menschen auf seiner Heimatsprache begrüßen zu können!
Und so nimmt dieser geschichtsträchtige Tag (!) seinen Lauf. Mit dem Griechen (übrigens aus Thessaloniki, was mir so den Augenzwink gab, als nächstes die Briefe an die Gemeinde von Thessaloniker zu lesen) kam ich bis nach Montpellier. Dort durfte ich die hervorragenden (!!) französischen Raststätten kennen lernen – wenn du diese mit denen aus Italien oder gar den miesen Raststätten aus Spanien vergleichst, fühlst du dich wie im Paradies – obgleich es immer noch vom Moloch bestimmt ist (Geld, Geld, Geld). Aber! Ich darf dort kostenfrei ins WLAN, auf die Toilette (die sauber ist) und mich erfrischen und abkühlen. Denn heute sind es draußen +39°C!
Nach Erfrischung, Rasur und Aufladung meines intelligenten Mobiltelefones frage ich weitere Autofahrer und direkt die dritten, die ich frage sagen wieder zu! Das ist unfassbar, wie gut es in den letzten drei Tagen läuft – vielen vielen Dank! Das französische Pärchen bringt mich bis nach die spanische Grenze (also wieder au revoir france!), wo ich einen anderen deutschen Tramper kennen lerne (den ersten anderen deutschen Tramper meiner ganzen Reise – und das nach 100 Tagen!). Wir beschließen gemeinsam weiterzureisen und kommen sehr gut ins Gespräch (tiefgründig und sogar ziemlich persönlich, dafür, dass wir uns erst eine halbe Stunde kennen). Es geht um Beziehungen (gescheiterte und warum), um solidarische Landwirtschaft (sein Vater betreibt den größten SoLaWi-Hof der Region in Bayern, wo er wohnt) und um Bescheidenheit und Demut (an dem Wort hat er sich sehr aufgekratzt, das weiß ich noch :D) uvm. – Danke für dich!
Auch hier fragen wir lediglich vier bis fünf Autofahrer und dann kommt der Hammer: Ein alleine fahrender Mann in einem bequemen Volvo fährt vor, wir fragen direkt nach. Er sagt, er fährt bis nach…Málaga!!! Es sind noch 1050 Km von hier bis Málaga. Ich falle fast aus allen Wolken: Was, bereits morgen Mittag werde ich ganz in der Nähe von Caitlin sein, die ich bereits zwei Jahre nicht mehr gesehen habe? Wow, das geht schnell. Wo ein Ziel, wo ein Wille, da ein Weg!
Den bayerischen Tramper lassen wir bei Barcelona raus (alles Gute!) und dann geht es in eine Fahrnacht. Boah ist das anstrengend, ich möchte ihm Gessellschaft leisten und versuche wach zu bleiben, doch auch mir sind die letzten Tage und Nächte in den Knochen und so nicke ich immer wieder weg. Ab und an halten wir an, er schläft kurz und weiter. Er (Alan) ist gebürtig Este (aus Estland) und hat seit dem Sturm am 20. Januar diesen Jahres in verschiedenen Wäldern Deutschlands mit einem Harvester (diese riesigen Baumerntemaschinen – furchtbar!) wieder für (deutsche) Ordnung im Forst gesorgt. Jetzt will er eine Auszeit bei einem Cousin bei Málaga machen, da wo er keine Bäume mehr sehen muss – so haben wir dasselbe Ziel. Reden möchte er nicht so viel, aber gute Musik hören tut er!
Und mit Sonnenaufgang kommen wir an Málaga vorbei nach Torremolinos, wo er mich rauslässt – was ein Ritt!
Málaga und Rohkostprojekt
Trotz dieser eigentlich energiezehrenden Reise von den Höhlen von Skojcan bis nach Torremolinos fühle ich mich stark und lebendig! Ich schlawendel etwas umher in den Straßen, lese, schreib Postkarten, kaufe etwas ein, sehe, dass bereits um 07:15 Uhr ein Café gut gefüllt sein kann uvm.
Dann beschließe ich nach Málaga reinzufahren um dort in einem günstigen Hostel zu übernachten – mal wieder eine Dusche nehmen! Ich bin etwas zu früh angekommen, wer hätte das gedacht, bei meiner Art zu reisen und so habe ich noch zwei Nächte vor mir, bevor ich Caitlin wiedertreffe.
Um nach Málaga reinzukommen nehme ich den Bus (der echt bezahlbar ist – 1,50€ war es glaube ich, die gleich Strecke kostet in Münster 3,30 € (im Bus)), doch die Busfahrerin nimmt keinen 50€-Schein. So warte ich auf den nächsten und darf ein Pärchen aus England kennen lernen, denen ich kurz meine letzten vier Tage umreiße. Sie sind ziemlich begeistert, geben mir zusätztlich zu dem Busticket, was sie über haben noch 10 € mit auf den Weg – wow! Danke, danke, danke 🙂
Nachdem ich aus Málaga raus bin – wo ich mich endlich mal wieder meinem Blog widmen konnte und zwei Artikel schreiben konnte (bei der Hitze in der Computerecke auch schon ein Akt) – fahre ich zu einem Rohkostprojekt, die auch gegen Mithilfe Schlafplätze anbieten (WWOOFEn-ähnlich). Caitlin erzählte mir von dem Projekt und mit einem der Grundstücksbesitzer dort konnte ich dann spontan eine Übernachtung vereinbaren – danke! Es ist wirklich heiß hier unten in Andalusien, umso mehr wundert es mich, dass hier so viele Gewächshäuser stehen und die Bewässerung über jahrhundertealte Kanalsysteme (aus der Zeit der Besatzung der Mauren) funktioniert. Das Wasser kommt aus den nahe gelegenen Bergen und deren Quellregionen. Spannend, das hier mit jemandem, der hier Avocados, Bananen, Kiwis, Maracujas, Kaktusfeige und noch einiges mehr anbaut zu erkunden. Auch die Anbindung an die Natur hier, der Schlaf in der Höhle, sowie die rohköstliche Ernährung an diesem Abend und dem nächsten Morgen tun echt gut.
Wiedertreffen & Urlaub
Ab hier freue ich mich einfach nur noch auf die gemeinsame Zeit mit Caitlin, die ich jetzt 22 Monate nicht mehr gesehen hatte. Wir hatten viel miteinander auszutauschen und uns noch weiter kennen zu lernen. Eine wirklich tolle junge Frau!
Sie und ihre Familie machen mir ein wunderbares Geschenk: Ich darf insgesamt 10 Tage (danach zieht es mich aber auch mehr als weiter!) bei Ihnen in der Villa bleiben. Dort habe ich mein eigenes Zimmer, Waschmöglichkeiten, beste Verpflegung (in die ich mich auch mit einbringe), viel Raum und Platz, einen Laptop, an dem ich arbeiten kann (Blog, Emails, schon mal anfangen meinen 25ten Geburtstag zu planen) und so vieles mehr! Ich bin euch und besonders dir Caitlin wirklich dankbar für diese Zeit. Hier kann ich endlich mal meinen ganzen Rucksack sauber machen, das Zelt sauber machen und alles erledigen, was so angefallen ist mit der Zeit – die neue Tramp-Hand verfeinern usw. Auch mal wieder vernünftig in Büchern zu lesen (z.B. in „Der Biophilia-Effekt“) ganz neben meiner neu entfachten Begeisterung die Bibel zu lesen – wo sehr viel lesenswertes (zeitlos) drin steht „Liebe deinen nächsten, wie dich selbst“, „Liebe deine Feinde“ aber auch zu hinterfragender und eventuell bewusst von den Bibelvätern mit aufgenommene Bücher oder Kapitel, die einen zu absoluter Staatshörigkeit bringen wollen oder zu einer Akzeptanz des eigenen Skalventums. Immer hinterfragen und fühlen, was da steht 🙂
Gleichzeitig kümmern wir uns um Katzen, die der Bruder Caitlins sonst umsorgt. Sie sind von der Straße und teilweise verletzt. Das bestimmt den Tagesrythmus – einmal morgens und abends Futter und Wasser für die Tiere, sowie nach dem Rechten schauen und eventuelle Tierarztbesuche. Auch das neue Pferd, welches Caitlin aus äußerst bescheidenen Besitzverhältnissen herausgekauft hat, Tinieblas darf ich kennen lernen und sogar einmal kurz reiten. Hier zu sein fühlt sich wieder zum Teil wie Urlaub an, zum Teil ist es ein leichter Vorgeschmack auf zuhause. Nur die Hitze hier ist einfach anders – klar war es diesen Sommer auch mal richtig heiß in Deutschland, aber hier ist das jedes Jahr mehrere Monate so! In der Mittagszeit ist Siesta angesagt, alles andere macht auch garkeinen Sinn. Da komme ich temperaturmäßig an meine Grenzen. Schon amüsant, wie ein paar Grad alles verändern und wir als Menschen uns nur in diesem kleinen Bereich zwischen -20°C bis +45°C (und die äußeren Bereiche sind schon krasse Extrema!) aufhalten können, in einem noch kleineren dauerhaft wohnen können. Ein weiteres Wunder, welches es zu bestaunen und zu entdecken gibt!
Symphaticus & Parasymphaticus
Die Zeit vergeht hier anders, schneller, weil ich nicht mehr mit dem Rucksack unterwegs bin und meine „peer-group“ sowie meine Basis habe. Es ist wirklich mehr wie Urlaub. Welch ein gigantischer Unterschied. Du lernst die Region anders kennen, als mit dem Rucksack dort unterwegs zu sein. Das tue ich hier auch (durch die zwei Tage ankommen) und das weiterreisen nach Portugal später. Dieser Unterschied ist wirklich herausragend und deshalb muss ich hier kurz darüber schreiben! Ob du morgens nicht weißt, wo du abends schläfst, wie weit du kommst, wo du zu Essen bekommst oder das alles bereits geregelt ist macht einfach ein ganz andere Stimmung – eine Reisestimmung! Und so sehe ich auch gerade in dieser Zeit, dass wir die Bewegung (körperlich, aber vor allem meine ich hier die Bewegung zwischen verschiedenen Dingen im Leben) brauchen und genauso das Still sein – Symphaticus und Parasymphaticus, Anspannung und Entspannung – die wohltuende Mitte dieser Dualität, das Hin und Her macht uns lebendig!
Handwerklich habe ich mich auch noch etwas betätigt. Aus einer aufgegebenen Töpferei mit Wohnhaus anbei, das heute komplett leer steht, habe ich mir Baumaterialien zusammengesucht und diese improvisierte Kräuterspirale (unten rechts auf dem Foto) in einen Ost-Hang gebaut. Hier bekommen die (hoffentlich jetzt eingepflanzten) Kräuter aufgrund der hoch stehenden Sonne trotzdem noch genug Sonnenlicht. Nur die Erde ist hier nicht wirklich zum Anbau geeignet, da müsste Caitlins Familie noch Anzuchterde oder Kompost untermengen und aufbringen. Doch was mensch nicht alles aus alten (vermeindlich unbrauchbaren) Dingen machen kann.
Nach diesen (urlaubs-)Tagen hat es mich dann aber auch wieder weitergezogen. Auch hier durfte ich noch zwei Tage und Nächte alleine das Grundstück (sowie die Katzen) hüten, was auch noch einmal enorm gut tat! Nun ruft die Algarve und der Tag der offenen Türe vom Friedensforschungsdorf Tamera (von hier an in fünf Tagen).
Ich bin Caitlin und ihrer Familie zu großem Dank verpflichtet für ihre große Gastfreundschaft und Beherbergung meiner Wenigkeit – Gott segne euch 🙂
Eine unerwartete Begegnung
Eine Sache, die unterwegs geschehen ist, möchte ich hier noch anführen: Ich wurde unterwegs zu einem naturverbundenem Heilungsritual nach indigener nordamerikanischer Art eingeladen! Was für ein Geschenk, das einmal (jedenfalls 1,5 Tagen davon) miterleben zu dürfen, samt Schwitzhütte und bereichernden und kontroversen Gesprächen mit den anderen Teilnehmern.
Ich schreibe das hier so munkelig unten in den Beitrag hinein, da ich den Menschen, die das privat organisieren hoch und heilig versprochen habe, keine Details über dieses Zusammentreffen preis zu geben. Ich wurde auf Verantwortung eines Teilnehmers dieses Rituals von außen eingeladen, weil er meinte, er hätte bei mir ein wirklich gutes Gefühl und Vertrauen. Es existiert keine Internetseite zu dieser Veranstaltung, alles ist privat organisiert. So preise ich Gott, der mir auf diese wundersame Weise ermöglicht hat daran teilzunehmen – dort durfte auch ich Heilung spüren! So weit so gut!
Mit diesem Geschenk, was mir gegeben wurde, schließe ich gerne ab! Im nächsten Beitrag zu dieser wundervollen Reise fasse ich meine Erlebnisse aus Portugal, dem Friedensforschungsdorf Tamera und meiner Rückreise nach Münster zusammen! Das wird der letzte (aber deshalb nicht minderwertigere) Beitrag zu dieser Reihe – zu meiner 125-tägigen Reise per Anhalter durch 19 Länder!
Frieden sei mit dir
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