„Der Film kam zu mir“ – eine unerwartete Antwort auf die neugierige Nachfrage, ob ein lösungsorientierter Film die logische Konsequenz nach kritischer weltschmerzender Auseinandersetzung sei. Mit We feed the world, Let’s make money und Alphabet zeigte Erwin Wagenhofer ohne erhobenen Zeigefinger, aber mit Sprachgewalt der Protagonisten (die sich teils selbst entlarven), welchen eigens kreierten Miseren wir uns zu stellen haben. Von Oligopolen in den globalen Lebensmittelindustrien über vorherrschende neoliberalistisch überprägte Wirtschafts- und Finanzlogik (unlogik?). Bis hin zu flächendeckend umgesetzten Grundprinzipien der Bildung, die der gesunden Gehirnentwicklung und Entfaltung von Empathie und Kreativität im Wege zu sein scheinen. Eine lohnenswerte Trilogie, die bereits Ansätze zur Harmonisierung dieser Destruktivitäten anbieten. But Beautiful fokussiert sich vollumfänglich auf den Wandel, den wir für ein zukunftsfähiges Miteinander vollziehen könnten. Die dafür gemachten O-Töne, die dargestellten inneren Einstellungen, Gefühle und Projekte suchten sich ihren Weg in Wagenhofers Kamera.
„Mut haben“
„Das ist Mut“ steht in einer Klassenarbeit geschrieben, deren einzige Frage war: Was ist Mut? Harry Potter oder Spider Man, die haben Mut…ja, ganz sicher. Auf der Leinwand im Kino vielleicht. Doch das Gefühl, was wir dabei auf diese Figuren projizieren, ist etwas, das bereits in uns glüht. Und so zeigt But Beautiful glühende Menschen, die wirklich Mut zeigen. Indem sie ihre Gefühle auf die Bühne bringen ohne beeindrucken zu wollen. Indem sie Ideen umsetzen, für die manch andere sie für verrückt erklärt haben. Zum Beispiel das Pärchen, welches ein heruntergewirtschaftetes Avocado-Agrarland mit einfachen Permakulturprinzipien wieder aufpeppelt. Inspirierend.
„Viele sprechen mit uns und sagen, sie wollen etwas ähnliches wie wir tun. Aber da ist die Angst. Es lohnt sich diese Angst zu überwinden.“
Barbara & Erich Graf über Mut (Zitat aus meinem Gedächtnis)
Viele glauben, bereits den notwendigen Wandel darzustellen
Laut Wagenhofer gab es mehrere Gründe, warum But Beautiful etwas auf sich hat warten lassen. Doch einer überrascht im ersten Moment. Sein Team begleitete weit mehr Projekte und Menschen, als die präsentierten. Doch stellte sich oft nach kurzer Zeit heraus, dass diese vordergründigen Wandelstarterprojekte noch alte Muster in sich trugen. Womit er vermutlich Geschäftsideenwahn, Egozentrik und spaltende Persönlichkeiten meint – also einen (noch) nicht aufrichtig vollzogenen inneren Wandel.
„Inspirieren vs. Beeindrucken“
Eng damit einher geht die Erkenntnis, Inspiration von „Respekt alter“ unterscheiden zu können – das Hochlicht des Filmabends für mich. Vor allem Männer bzw. männlich überprägte Individuen, wollen in erster Linie durch ihr Wissen, ihre Fähigkeiten oder ihre Selbstdarstellung beeindrucken. Vermutlich weil dabei die linke Gehirnhälfte mit ihrem linear-rationalem Denkmuster in Kombination mit Kompensation des Mangelbedürfnisses Anerkennung überwiegt.
Dieses Muster hat mich nach der Vorstellung des Filmes ziemlich stark an mich selbst erinnert, was sehr heilsam war. So wollte ich beispielsweise noch eine Frage stellen…doch eigentlich nur, um des fragen willens. Ich hatte gar keine konkrete Frage auf dem Herzen. In mir wollte etwas eloquent wirken und zeigen, wie aufmerksam und kritisch es den Film hat nachwirken lassen. Diese intensive Selbstreflektion aufgrund des Filmes, war es alleine schon wert ihn gesehen und hineingespürt zu haben.
Innere Auseinandersetzung
„Genauso empfinde ich auch!“ (zu Inspirieren vs. beeindrucken) Zugegebenermaßen war mir während des Films immer wieder das Gedankenmuster hoch „Das habe ich jetzt bereits 100te Male gehört, wir müssen es einfach tun! Es geht alles so langsam vorwärts, das wird doch nichts“ (innerlich genervt). Doch verspürte ich direkt nach dem Einlassen auf das vermittelte Gefühl des Films innere Ruhe einkehren, die mir klar machte: Inspiration kann es nicht zu viel geben. Nimm und gib, teile. Fülle jede deiner Zellen bis zum Höchsten damit an. Und gestalte, was durch die gestalten werden möchte. Im Fluss, in Ruhe, bewusst.
„Wir sollen immer vor allem Angst haben“
Vor allem vor Veränderung. Stattdessen sollen wir mit „der hundertsten Impfung“ nun wirklich die Gesundheit unserer Kinder sichern können – ein Beispiel von Wagenhofer. Doch wer profitiert im Endeffekt von unserer Angst? Sind es nicht Systeme, die nur für wenige Menschen und schon garnicht für die Erde funktionieren (s. Ist das normal?). Wenn wir die konkreten Änderungen, wie Teilhabe am politischen Entscheidungsprozess, regionale Wirtschaftskreisläufe oder aufrichtiger gewaltfreier Kommunikation nicht selbst in die Hand nehmen, wer soll das dann für uns tun? Auf diesem Wege werden wir ganz konkretdavon abgehalten zu werden – wovor haben diese Individuen nur Angst? Dass wir uns die Erde wirklich in Frieden aufteilen könnten? Welch schreckliche Vorstellung!
„Die Weiblichkeit mit der Männlichkeit in Balance bringen“
(auch die Weiblichkeit in den Männern!)
Die dualistische Welt, in welcher wir uns bewegen ist auf den Ausgleich beider Kräfte angewiesen. Hell und Dunkel, Oben und Unten, Positiv und Negativ. Gemeinsam spannen diese Dualitäten Raum und Zeit auf, so mein Verständnis. Siehe in ein Atom. Ohne die Abstoßung von den negativ geladenen Elektronen um den positiv geladenen Kern würde es keinen Raum dazwischen geben. Dies lässt sich wunderbar auf die Aussage Wagenhofers beziehen. Das männliche und weibliche Prinzip müssen sich wieder ergänzen anstatt krampfhaft aneinander angepasst zu werden oder sich gegenseitig zu übertrumpfen.
„Du kannst nicht die Welt ändern, sondern dich selbst“
Das sagt der Dalai Lama. Von ihm werden im Film übrigens einige Aussagen dargestellt. Dabei sind sie teils an Humor und Skurrilität kaum zu übertreffen. Man bedenke: Es handelt sich um das Oberhaupt einer Religion. Wir bräuchten für diese Änderung auch nicht auf das nächste Leben, den Himmel oder das Nirwana warten. Wir können jetzt anfangen. So einfach lässt sich das auf den Punkt bringen. Einen jeden Tag ist Wandel möglich. Sehen die Schritte dafür noch so klein aus, es sind Schritte.
Die dunkelste Stunde ist die vor dem Sonnenschein, oder?
Aufleben lassen
Der Film erinnerte mich an meine Glücksmomente im Permakulturgartenprojekt alleine und mit Kommolitoninnen, an aufrichtigen heilsamen Austausch/Gespräche, Naturererfahrung und unsere Rück-Anbindung an Mutter Erde und Vater Kosmos (Gott), befreiende Musik-Jams, Gefühle fühlen / mitteilen / mitfühlen (!), Reisen per Anhalter, Pioniere und Visonäre in meinem Umfeld und wie viele (mich einschließlich) nach wie vor nicht zur Gänze bereit sind, sich auf diese vollumfänglich Veränderung einzulassen…doch wir sind auf dem Weg und das fühlt sich entscheidend an – selbstkritisch, selbstliebend (immer mehr). Und genau dies weiter aus dem Jetzt in die Zukunft zu tragen machte in stiller Zuversicht jede Zelle meines Körpers aus . Danke für diese konkreten Anstöße in einer Welt voller Spaltung, Zweifel und Bequemlichkeit! Dieser Film hat mich wahrlich inspiriert und nicht nur beeindruckt.
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